Lichtsäule oder das Kreuz am Pfarrergraben

Aus der Schriftenreihe zur Geschichte der Marterl in Illmitz
von Hans Kroiss

Ein frühes Zeichen der gelungenen Gegenreformation und
steinernes Sprachdokument von den alten Illmitzern.

 

Militärkarte von 1872 mit eingezeichnetem Marterl als Orientierungspunkt
In der Literatur über die Marterl in Illmitz und auch in den Beschreibungen des Bundesdenkmalamtes wird dieses Kreuz an der Ortseinfahrt neben der Brücke über den Pfarrergraben nur als Lichtsäule bezeichnet. Auch im Volksmund kennt man keine eigene Bezeichnung für dieses Kleindenkmal.

Ein Angerkreuz muss weichen.
Ursprünglich stand es auf der freien Angerfläche von Ober-Illmitz, etwas nordwestlich der Hauptstraße auf dem Grund des heutigen Hauses Angergasse 4 (Installateur Gartner).
Nach einem  Großbrand  wurden 1941 die sogenannten Siedlungshäuser mit den markanten Giebeln am Ortsende gebaut und die heutige Angergasse neu angelegt. So musste dieses Kreuz der Bautätigkeit weichen und wurde am Spitz, den die Landesstraße und der Pfarrergraben bilden, aufgestellt. Heute steht es vor dem Haus der Familie Müllner (O.H.75), die das Kreuz auch betreut.

Die Frage der Jahreszahl.
Dieses Kreuz ist wohl das  älteste noch existierende Marterl, das von einem wohlhabenden Illmitzer Bauern aufgestellt worden ist. Mit ziemlicher Sicherheit handelt es sich um das Jahr 1693, obwohl die Zahl 9 in der Inschrift nicht mehr gut leserlich ist.

Und zwar aus folgenden Gründen:  Die Illmitzer waren auch nach der Rekatholisierung unter den Fürsten Esterházy  noch immer dem evangelischen Glauben zugetan, wie die Visitationsprotokolle der Pfarre im ausgehenden 17. Jhdt. (laue Katholiken) belegen. Erst Pfarrer  Steininger (Staninger), der bald nach dem Türkenjahr 1683 eingesetzt wurde, konnte den katholischen Glauben im Dorf festigen. Obwohl nach außen hin katholisch, im Herzen aber evangelisch, hätten die Illmitzer noch in der ersten Hälfte des 17. Jhdts. nie einen Richter für das Dorf gewählt, der erzkatholisch war. Da die Evangelischen als einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen Jesus Christus sahen und die Heiligen- und Marienverehrung in der katholischen Form abgelehnt wurde, kann das Marterl mit dem Tabernakel, in dem sicher eine Heiligen- oder Marienfigur stand, erst in das letzte Drittel des 17. Jhdts. datiert werden. 
Obwohl schon in der Zeit des Frühbarocks, haben Kunstelemente dieses Stils noch lange nicht in ländliche Baulichkeiten Eingang gefunden. Unser Bildstock gemahnt eher noch an das blochig Romanische und zeigt mit seinem Pyramidenhelm und dem aufgesetzten Steinkreuz frappante Ähnlichkeiten mit Marterl rund um den See (z.B.: Breitenbrunn, Purbach), auch aus dieser Zeit.

 

Ein Gregor Haider, Vater des Stifters der Säule und als Richter von Illmitz bezeichnet, taucht erst in einem Urbar von 1675 auf. 

Banntaiding und Richter.
Der Richter und die Geschworenen eines Dorfes wurden nach altem fränkisch-bairischem Recht von der Dorfgemeinschaft gewählt und vom Grundherrn bestätigt. Sie waren für die Abgaben und Frondienste der Ortsgemeinschaft verantwortlich, hatten eine niedere Gerichtsbarkeit inne und vertraten die Untertanen gegenüber der Herrschaft.
Jedes Jahr wurde das „Banntaiding“ abgehalten, bei dem jeder Haushaltsvorstand zu erscheinen hatte. Aus dem „Weißbuch“ wurden unter Aufsicht der herrschaftlichen Beamten die Pflichten und Rechte der Untertanen vorgelesen und die Dorfoberen bestätigt oder neu gewählt. Alte Illmitzer kannten noch das Wort „Baoudading“ für eine Wahl oder Diskussion.
Illmitzer Mundart und neuhochdeutsche Schriftsprache.
Dass die damaligen Illmitzer mit dem Schreiben noch ihre liebe Not hatten, bezeugt der Schriftsatz auf der Säule. Orthographie und Interpunktion waren sowieso noch kein Thema, aber auch mundartliche Einflüsse sind unübersehbar. So bezeichnet sich der Erbauer des Kreuzes, Jacob Haider, als „Richterzei zu Ilmiz“. Im Dialekt wurde ein neuhochdeutsches  –eu– oder –äu– oft als –ei– interpretiert. Daher ist mit ZEI mit einer Verkürzung des illmitzerischen „Zeing“ der  Zeuge gemeint, und Jacob war somit ein Richterzeuge, also ein Geschworener oder Gemeinderat. Genauso verhält es sich mit dem Wort SEIL, das dieses Marterl als Säule bezeichnen will. Interessant ist auch AVERICHTEN für auf-errichten. Ein früh umgelautetes langes –u–  zu –au– wurde auch bei uns oft exzessiv zu einem langen –a–, wie bei Māl = Maul, fāl = faul oder lāta = lauter (nur, ausschließlich). Die Mutter wird MUETER (aus mhd.: muoter) geschrieben und lässt das mundartliche Muida mit der für uns typischen ui-Form erahnen.

Bezeichnet als Kleindenkmal oder Lichtsäule, gewährt dieses Kreuz also viele Einblicke in die Geschichte und die Mundart der alten Illmitzer.

Originalinschrift in Majuskeln, aber zum besseren Verständnis hier mit Wortabständen:

JACOB HAIDER  DERCEIT RICHTERZEI ZU ILMIZ
SEIN HAUSFRAU ELISABET
HABEN DIESE SEIL IHREN VATERN GREGOR HAIDER GEWESTEN RICHTER
ALDA SELIGEN UND ELENE SEINER HAUSFRAU UNSERER LIEBEN MUETER
ZUR EWIGEN GEDECHTNUS AVERICHTEN LASEN 1693