Nádasdy-Pieta

Aus der Schriftenreihe zur Geschichte der Marterl in Illmitz
von Hans Kroiss

Wie kommt das Wappen der Nádasdy auf eine Lichtsäule in Illmitz?
Diese Pieta ist steinernes Zeugnis aus der Zeit der Gegenreformation, des ungarischen Magnatenaufstandes und der Kirchenbauten in Illmitz.

Nádasdy und die Gegenreformation
Als überaus ehrgeizig und als „Chamäleon Ungarns“ oder als „Krösus von Ungarn“ wurde er bezeichnet, dieser Franz III. Nádasdy (1622 – 1671), der die Pieta gestiftet hat.
Aufgewachsen in einer betont evangelischen Adelsfamilie, konvertierte er kurz vor seiner Hochzeit mit Anna Julia Esterházy zum Katholizismus (1643). Seine Vorfahren waren ungarische Kleinadelige, die im 13. Jhdt. ein Kastell im Komitat Eisenburg in der Nähe von Körmend hatten und sich nach dem Ort Nádasd (= ungarisch: Schilf, Rohrung) benannten. Deshalb auch das  Wappen der Nádasdy mit einer auffliegenden, goldberingten Ente aus dem Schilf. Die Familie  Nádasdy wurde im 16. und 17.Jhdt. nicht zuletzt durch glückliche Heiraten (z.B. mit Erbtochter der Kanizsai, die auch im Seewinkel Besitzungen hatten) zu einem der reichsten und einflussreichsten Adelsgeschlechter im westungarischen Raum. Pottendorf, Hornstein und Sárvár waren die größten Herrschaften unter Franz III. Nádasdy, aber auch unser Nachbardorf Apetlon gehörte zu seinem Einflussbereich.

Pieta vor der Kirchenwand 1974

Wappen der Familie Nádasdy

Pieta vor Restaurierung

Und hier beginnt die Geschichte unserer Pieta.
Bald nach seinem Übertritt zum katholischen Glauben und der Heirat mit Anna Esterházy begann er mit einer rigorosen Rekatholisierung der Bevölkerung in seinem Herrschaftsbereich, die evangelischen Prediger wurden vertrieben. Bei Apetlon auf dem Weg nach Frauenkirchen, den die noch evangelischen Leute zur Abbitte gehen mussten, wurde  eine Pieta auf einer Säule mit drei Köpfen von Cherubim im Kapitell und auf der vierten Seite mit dem Wappen der Familie Nádasdy aufgestellt. Datieren auch die Dehio – Handbücher der Kunstdenkmäler des Burgenlandes (ab 1935) und das Bundesdenkmalamt die Säule in das beginnende 18. Jhdt. und in das Hochbarock, so muss aufgrund der historischen Fakten ein etwas früherer Zeitpunkt angenommen werden. Franz III. Nádasdy, zu einem kaisertreuen und glühenden Katholiken mutiert, rief in den 60-er Jahren des 17. Jhdts. eigene Jesuitenmissionen (Missio Nádasdiana) ins Leben, um die Gegenreformation zu fördern.
Frühestens in dieser Zeit, spätestens aber vor seiner Hinrichtung
1671 muss diese Pieta entstanden sein.

Die Magnatenverschwörung
Warum Hinrichtung? Nádasdy war ursprünglich habsburgertreu, schloss sich aber nach dem für Ungarn ungünstigen Frieden von Eisenburg zwischen den Habsburgern und den Türken („Schandfriede“ nach der siegreichen Schlacht bei Mogersdorf 1664) der Magnatenverschwörung gegen das Kaiserhaus an.  Nádasdy wurde zu einem führenden Kopf dieser Konspiration. Die Verschwörung flog allerdings auf, Franz Nádasdy wurde in seinem Schloss Pottendorf verhaftet und wegen Hochverrates in Wien geköpft. Seine Güter wurden konfisziert und fielen durch Kauf oder Neubelehnung Großteils seinem Schwager Esterházy zu.

Illmitzer Kirchenbau
Unter dem Patronatsherren Esterházy, der  seine Besitztümer (Illmitz gehörte schon seit dem Erwerb der Herrschaften Forchtenstein und Eisenstadt den Esterházy) neu regelte und die Herrschaft Frauenkirchen einrichtete, wurde die bisherige Filialkirche Apetlon 1702 von der Pfarre Illmitz getrennt. Die alte Martinskirche südöstlich des Kirchsees war schon in einem desolaten Zustand, die Illmitzer siedelten wegen der hohen Wasserstände des Neusiedlersees und der Lacken bereits seit der ersten Hälfte des 17. Jhdts. auf einer westlicher gelegenen Anhöhe, dem heutigen Dorf, und auf dem Dorfplatz standen zwei Säulen mit einer Glocke aus der alten Kirche. An diesem Platz errichtete Esterházy 1715 eine Kapelle, da die Martinskirche im alten Dorf fast nicht mehr benützt werden konnte. Wurden die Illmitzer in einem Visitationsprotokoll von 1663 noch als verschlagen und nur als scheinbare Katholiken bezeichnet, konnte mit Pfarrer Lusperger (1706 – 1738) die Rekatholisierung in Illmitz abgeschlossen werden. Wird in einer Chronik berichtet, dass unsere Pieta schon vor dem Kirchenbau (Baubeginn 1775, Fertigstellung 1792) in Illmitz war, würde deren Versetzung von Apetlon nach Illmitz schon in die Zeit um 1715
passen.
Natürlich hätte Esterházy das Wappen der in Ungnade gefallenen Nádasdy schon damals aus dem Kapitell der Säule herausschlagen lassen können, was aber nicht passierte. Auf einem Belegfoto Ende der 50-er Jahre des vorigen Jahrhunderts kann man noch das alte Nádasdy-Wappen mit der Ente und dem Rohr schemenhaft erkennen.

Die entfleuchte Ente
Erst im Zuge des Zubaus unserer neuen Kirche im Jahre 1978 wurden auch die Pieta und die Säule renoviert. Bedenkt man, dass die Pieta lange als Wegkreuz Richtung Frauenkirchen gestanden hat und das Wappen nach dem Aufstellen an der südlichen Wand der heute Alten Kirche vor dem Haupteingang nach Westen gedreht war, kann man sich die Witterungseinflüsse in den letzten Jahrhunderten vorstellen. So wusste auch der Bildhauer (Meister Opferkuh aus Mannersdorf) mit dem verwitterten Schild wenig anzufangen. Er erkannte zwar die beidseitigen Löwen als Wappenhalter, nicht aber die Darstellung im Wappen. Kurzerhand wurden die Schildkonturen neu bearbeitet und an Stelle des unkenntlich gewordenen Nádasdy-Wappens drei Rauten in das Schild gemeißelt. Natürlich wusste der Restaurator über die Symbolik der drei Rauten Bescheid und hat sie bewusst gesetzt. Sie bedeuten nämlich die Dreifaltigkeit Gottes. Belegbar ist diese komplette Neugestaltung  auch durch die moderne Nachbearbeitung der zwei Löwen, die jetzt eher einem Pantier (=Zusammengesetzes, fiktives Wappentier, vgl. „Steirischer Panther“) ähneln. Trotz der Änderung im Wappen spricht man noch heute von der Nádasdy-Pieta.​

Verwittertes Nádasdy-Wappen um 1960

Kapitell mit neuem Wappen 1978

Renovierte Pieta in der Neuen Kirche
Schmerzhafte Mutter Gottes
Ähnlich, aber nicht so rigoros, erging es der „Schmerzhaften Maria mit dem Leichnam Jesu“ auf der Säule. Aus Lindenholz geschnitzt, hielt die Pieta ungleich weniger den Witterungseinflüssen stand. Die ursprünglichen Farben verblassten mit der Zeit und das Holz bekam Sprünge. Als ersten Schutz für das Holz hat man einfach einen weißen Kalkanstrich hergenommen. Viele  Jahrzehnte lang glaubte man deshalb, die Pieta auf der Säule an der alten Kirchenwand wäre auch aus Sandstein. Erst bei den Restaurierungsaufträgen im Zuge des Kirchenneubaues 1978 pochte man bei der Statue auf Holz. Die Firma Wagner aus Wien übernahm die Restaurierung und hat an Hand der alten Farbpigmente auf dem Holz eine berührende und farbenprächtige Pieta aus dem 17. Jhdt. wiedererstehen lassen.
Beeindruckend schön und eine lange Geschichte der Illmitzer Pfarre erzählend, steht sie heute neben dem Altarraum unserer Neuen Kirche.