Von einer barocken Putte zum Schutzengel. Ein wundersamer Fund aus dem Neusiedlersee.
Aus der Schriftenreihe zur Geschichte der Marterl in Illmitz
von Hans Kroiss
Einen Engel zu fangen, ist gar nicht so einfach.
Illmitzer Fischern ging einer ins Netz. Zwar nur einer aus Sandstein vom Leithagebirge und eigentlich eine Putte aus der Zeit des Hochbarocks, wurde die Statue bald als Engel bezeichnet. Auf einer schlanken, vierkantigen Säule positioniert und bewehrt mit einem Strahlenkreuz, firmierte sie zum Schutzengelkreuz. Ein Vorfahre der Familie Rauchwarter, ein „Hoadaseppl“, war beim Fund der Skulptur dabei und maßgeblich an der Errichtung dieses Marterls beteiligt. Die Familie betreut das Kreuz nach einer Generalsanierung aus Spendengeldern von den Bewohnern der Umgebung noch heute.Kurzer Flügelschlag Auf dem jetzigen Standort (Ecke Triftweg, Grabengasse, Quergasse) waren vor dem Bau des Pfarrergrabens ein kleines Schilfdepot und Gruben für die Lagerung von Futterrüben. Ursprünglich stand das Kreuz weiter östlich in der verlängerten Achse der heutigen Breitegasse, südlich der „Hejui“-Lacke, was auch eine sehr genaue Militärkarte von 1872 beweist. Diese kleine Lacke am nördlichen Ortsrand – „Hejui“ kann man mit „Hochjoch“, also ein höher gelegenes, in Joch aufgeteiltes Ackerland übersetzen – wurde mit dem Pfarrergraben entwässert. Bei der Konzipierung der heutigen Grabengasse musste unser Engel weichen und etwas weiterflattern.Der prachtliebendeEsterházy Fürst Nikolaus Esterházy, der Prächtige, ließ ein kleines Jagdschloss südlich des Neusiedlersees im heutigen Fertöd nach den Vorbildern von Versailles und Schönbrunn zu einer Sommerresidenz groß umbauen (Hauptbauzeit 1763 -1766). Die Prunktreppe und der Innenhof quellen förmlich über von allegorischen Darstellungen in Knaben- und Engelsgestalt. Genau in diese Szenerie passt auch unser Illmitzer Schutzengel, der wahrscheinlich bei einer stürmischen Überfahrt von einem Steinmetzbetrieb am Leithagebirge zum neuen Schloss auf dem See verloren gegangen war. Die meist nordwestliche Strömung dürfte die Figur allmählich Richtung Illmitz gespült haben. Dementsprechende Schleifspuren, vor allem am rechten Arm, sind eindeutig erkennbar.Im Schloss von Esterháza gibt es einige Skulpturen, die den Kampf gegen Seeungeheuer und immer wiederkehrende Hochwässer symbolisieren. Unsere Illmitzer Putte, die anschaulich und energisch gegen die dargestellten Wellen des Neusiedlersees ankämpft, war aufgrund von Verarbeitung und Stilistik mit ziemlicher Sicherheit für eine derartige Figurengruppe bestimmt.
Antike Amoretten und Barockengel Schon in der Antike wurden Liebesgötter als leicht bekleidete Knaben dargestellt. So eine ausdrucksstarke Amorette aus dem 4. Jhdt. wurde auch in Illmitz gefunden. Als Bild für die himmlische Liebe tauchen sie bereits in der frühchristlichen Kunst auf und fanden in der Renaissance in Verbindung mit Musik und Jugend weite Verbreitung. Zur Hochblüte kam es im Barock und firmierten als Putten, eine Entlehnung aus dem italienischen Putto für Knäblein (lat. putillus). Neben musizierenden und tanzenden Engeln gab es auch Sonderformen, meist Allegorien, die sogenannten Heroenputten als heldenhafte Knaben im Kampf gegen das Böse. Unser Illmitzer Engel gehört mit seinem entschlossenen Gesichtsausdruck und seiner kämpferischen Haltung eindeutig in diese Kategorie. Er stemmt sich gegen das Hochwasser des Neusiedlersees und macht als christlicher Schutzengel seinem Namen alle Ehre.
Schloss Esterházy in Fertöd: Prunkstiege mit Putten und Brunnen im Innenhof.